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Die Insel der Verschollenen

monstermensch.de_bilder_v_verschollen1921_15.jpg Deutschland 1921

Regie: Urban Gad

Sie hassen mich, weil sie soviel Qualen erleiden müssen. Aber sie sind machtlos gegen mich, ihren Schöpfer…“

Roberts ehemalige Verlobte Jane verschwand vor langer Zeit spurlos. Durch eine Flaschenpost bekommt er einen Anhaltspunkt, wo er sie suchen muss. Gemeinsam mit seinem Freund Ted reist er per U-Boot zu einer abgelegenen Südsee-Insel, wo sie den geheimnisvollen Wissenschaftler McClelland finden, der Jane in seiner Gewalt hat. Den Männern gelingt es, Jane zu befreien. Doch das U-Boot und somit die einzige Chance von der Insel zu entkommen wird von McClelland in die Luft gesprengt.
Die Gestrandeten versuchen es sich auf der Insel so heimelig wie möglich zu machen und schon bald entwickelt sich eine zarte Liebe zwischen Jane und Ted, was den ehemaligen Verlobten arg eifersüchtig werden lässt. Doch für Streit bleibt wenig Zeit, denn McClelland schickt sein Monster los um Jane zu entführen. Er braucht ihr Herz, um seine neueste Schöpfung zu vollenden. Aus tierischen und menschlichen Einzelteilen baut er neue Wesen zusammen, die ihm dienen sollen.
Erst als Roberts neue Verlobte, die ihm hinterhergereist ist auf die Insel kommt, gelingt es allen gemeinsam den Wissenschaftler zu überwältigen und seine grauenhaften Experimente zu zerstören.

Der Stummfilm „Die Insel der Verschollenen“, von dem eine Kopie im Bundesfilmarchiv in Berlin liegt, die dort auch eingesehen werden kann, ist die erste, wenn auch inoffizielle und sehr freie Verfilmung des Romans „Die Insel des Dr. Moreau“ von H.G. Wells. Erst elf Jahre später sollte mit „Island of Lost Souls“ eine werkgetreuere Version entstehen.
Der Film macht leider wenig Gebrauch von den fantastischen Elementen der Vorlage. Stattdessen rückt eine merkwürdige Beziehungsgeschichte in den Mittelpunkt der Handlung, so dass letztlich weder das Drama, noch der Horror zu überzeugen vermögen. Die lächerliche Nordseekulisse, die als exotisches Inselparadies herhalten muss, trägt auch nicht zur Stimmung bei.

Verantwortlich für diesen frühen deutschen Fantasyfilm ist der gebürtige Däne Urban Gad, der durch seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Asta Nielsen zu Ruhm kam. Dies ist jedoch ein Film aus seinem Spätwerk, welches nur noch wenig künstlerischen und finanziellen Erfolg hatte. Schon ein Jahr später kehrte er nach Dänemark zurück und arbeitete bald gar nicht mehr in der Filmbranche.

Die Motivation der Figuren ist hanebüchen und ändert sich alle paar Minuten, so wie es gerade am dienlichsten für den zwischenmenschlichen Konflikt ist. Als Robert erfährt, dass Jane noch leben könnte, ist sein Impuls nicht, sie um ihrer selbst willen zu retten, sondern um ihr zu sagen, dass seine neue Verlobte niemals etwas über ihre frühere Beziehung erfahren darf. Heldentaten sehen anders aus.
Sein Freund Ted ist Arzt und muss dringend aus dem Land fliehen, weil er eine alberne Zeitungsanzeige aufgegeben hat. Dieser Teil des ersten Aktes macht am wenigsten Sinn und endet zum Glück schnell damit, dass die beiden mit dem U-Boot, welches unter Roberts Kommando steht und das er offenbar jederzeit wie ein Taxi für seine privaten Zwecke nutzen darf, einmal um die halbe Welt fahren.
Als die drei auf der Insel fest sitzen, beginnt eine Robinsonade, die langweiliger kaum sein könnte. Ted flirtet mit Jane und Robert entscheidet, dass er Jane doch noch liebt. Als später seine aktuelle Verlobte auf die Insel kommt, wendet er sich ebenso schnell wieder von Jane ab. Auch jene neue Verlobte, die um die halbe Welt reist auf der Suche nach ihrem Geliebten, beschließt sofort wieder wegzufahren, als sie von Janes Existenz erfährt.
Die Figuren sind allesamt selbstsüchtig und unsympathisch. Die arme Jane, die wer-weiß-wie-lange in Gefangenschaft eines verrückten Wissenschaftlers darben musste, wird befreit, nur um dann in einer Bambushütte zu hocken und mitzuerleben, wie zwei Männer sich wie Idioten aufführen, ohne Aussicht je von der Insel runter zu kommen. Vielleicht wäre es ihr besser ergangen, wenn der Wissenschaftler ihr einfach das Herz rausgeschnitten hätte.

Der Wissenschaftler hat zumindest ein klares Ziel vor Augen. Er kümmert sich zunächst nicht um die Geflohene, da er sicher ist, dass sie nicht von der Insel entkommen kann. Erst als seine Kreatur kurz vor der Vollendung steht, sendet er sein Monster aus, um die Frau wieder einzufangen. Dies gelingt auch ohne Schwierigkeiten, da die beiden Männer zu sehr mit ihren eigenen Streitereien beschäftigt sind, statt auf Jane aufzupassen.
Die spannendste Beziehung im Film besteht zwischen dem Professor und seinem Assistenten. Auch diese Geschichte ist vollkommen unterentwickelt, bietet aber doch mehr Potenzial und interessante Konflikte als jeder andere Aspekt der Handlung. Der Assistent arbeitet nur widerwillig an den Experimenten des Wissenschaftlers mit und scheint diesem sogar fachlich überlegen zu sein. Doch der Professor nutzt die Schwächen des Mannes aus und beansprucht den Erfolg allein für sich. In einer der wenigen rundum gelungenen Szenen des Filmes greift der Tiermensch den Professor an, woraufhin dieser die Kreatur auspeitscht und seine Allmacht demonstrieren will indem er immer wieder fragt „Wer hat Dich erschaffen?“ Doch der völlig verängstigte Tiermensch zeigt nur auf den Assistenten, was den Professor umso wütender macht.
In der Rolle des Assistenten wird leider auch der unsympathischste Aspekt des Filmes offenbar: der unverhohlene Rassismus. Der Assistent ist Asiate und als solcher natürlich opiumsüchtig. Während man hier noch argumentieren kann, dass der Gehilfe von Moreau in der Romanvorlage auch ein Trinker ist, gibt es bei der zweiten „exotischen“ Figur keine Entschuldigung mehr. Neben den Hauptfiguren bleibt nämlich noch Roberts Butler auf der Insel. Der Deutsch-Afrikaner, der während des ganzen Filmes in Frack und Zylinder herumläuft, wird von Anfang an als dumm und faul charakterisiert. Später schließt er sich einer Eingeborenen an, die oben ohne und mit einer Handtasche aus Palmblättern herumläuft. Es ist schwer diese Szenen im Kontext der Entstehungszeit zu bewerten, da sie keinerlei dramaturgischen Wert haben; es geht hier wirklich nur darum, sich über dunkelhäutige Menschen lustig zu machen.

Die einzig gelungene Figur im ganzen Film ist der Tiermensch, der die Drecksarbeit für den Professor erledigen muss. Das pelzige tumbe Ungetüm mit dem bedrohlich großen Gebiss erzeugt Angst, wenn er die Männer aus einem Gebüsch heraus beobachtet oder die Frau verschleppt und erzeugt Mitgefühl, wenn es vom Professor misshandelt wird. Das Kostüm und die Maske sind besser gelungen als bei den anderen Kreaturen, die in der Menagerie des Wissenschaftlers vor sich hin vegetieren. Die anderen Hybrid-Wesen sind entstanden aus einem Truthahn, Ziegenbock, Affen und Walross. Obwohl die Maskeneffekte bei diesen Geschöpfen schlecht umgesetzt sind, hat die Sequenz, in der die Experimente des Wissenschaftlers vorgeführt werden eine beinahe surreale Qualität. Die Monster sind nur kurz zu sehen, aber ausgesprochen effektiv inszeniert. Die Sinnhaftigkeit der Experimente muss jedoch einmal kritisch hinterfragt werden, denn der Professor erschafft nicht einfach neue Lebewesen aus den Tieren, sondern für jede Kreatur, die er erschafft muss ein anderer Mensch sterben. Die genaue Philosophie oder das Ziel, welches hiermit verfolgt wird, bleibt leider im Dunkeln. Im Ansatz poetisch ist die Auflösung, dass das Herz eines Lebewesens über dessen Wesen entscheidet. So soll Janes Herz in die neueste Schöpfung transplantiert werden, doch in einem Akt des Aufbegehrens, übergibt der Assistent dem Professor das Herz eines Tigers, woraufhin seine Schöpfung zu einer wilden Bestie wird, die den Professor schließlich tötet.
Dieses im Ansatz grausame Finale, in dem der Wissenschaftler von seiner eigenen Schöpfung getötet wird, ist leider ebenfalls nur angedeutet. Die Szene ist wirr und hektisch inszeniert und mit derart viel Rauch unterlegt, dass nicht mehr klar erkennbar ist, was geschieht.

Die Insel der Verschollenen“ bietet schlecht durchdachte Monster und wirre, öde Dramahandlung. Auch als filmhistorische Fußnote nur am Rande interessant.



Die Insel der Verschollenen in der imdb

Siehe auch
Island of Lost Souls (1932) (großartige Adaption mit Charles Laughton)
Terror Is a Man (1959) (die Geburtstunde des philippinischen Exploitationsfilmes)
The Twilight People (1972) (schlampig inszenierter Trash)
Die Insel des Dr. Moreau (1977) (langweilige Neuadaption mit Burt Lancaster)
D.N.A. - Experiment des Wahnsinns (1996) (Neuadaption mit Marlon Brando)
Dr. Moreaus Haus des Schmerzes (2004)






Bilder
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